Pädagogischer Leitgedanke

Unser Waldkindergarten orientiert sich in wesentlichen Teilen am «Flensburger Konzept», das eine Weiterentwicklung der 40-jährigen Erfahrung dänischer Waldkindergärten darstellt:

Ganzheitliches Lernen

Die Kinder können ihren natürlichen Bewegungsdrang ohne Türen und Wände ausleben.
Durch die fehlende räumliche Einschränkung lassen sich innere Grenzen besser erleben und ausdrücken. Gruppen können sich spontan bilden und ebenso spontan umbilden.
Keine Lärmbelästigung wie in geschlossenen Räumen, die Kinder können wieder Stille erleben.
Die Phantasie und Kreativität der Kinder werden durch die Vielfältigkeit der Natur angeregt und gefördert.

Auf Basis von Geborgenheit und Sicherheit können die Kinder die Umwelt entdecken und Abenteuerlust erleben.

Gesunderhaltung und Körperharmonie

Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, stärkt das Immunsystem. Die natürliche Umwelt, das Eingebundensein in die Natur und das Erleben der wechselseitigen Abhängigkeiten, bewirken eine ganzheitliche Harmonisierung.

Endlich Schnee, juchee!
Endlich Schnee, juchee!

Naturerleben

Das direkte Erleben der Jahreszeiten, des Wetters und deren direkte Auswirkungen auf die Natur lassen sich aus erster Hand beobachten.

Warum ist der Frühling bunt, duftend, laut, voller Leben und Bewegung, der Winter hingegen still, starr, arm an Farben und Gerüchen? Wo sind die vielen Vögel, Insekten und anderen Tiere im Winter, und was fressen sie dort? Warum ist jene Rinde so zerfurcht und diese so glatt?

Wohin führt die Ameisenstraße? Wie kommt der kleine Tannenbaum hierher? Warum ist es heute neblig? Kinder bemerken oft die kleinsten Veränderungen und hinterfragen diese, manchmal auch erst Wochen später.
Viele Märchen, Sagen, Legenden und Geschichten haben den Wald als Handlungsraum. Erzählt man Kindern das Märchen vom Froschkönig beispielsweise im Sommer an einem Teich, so werden sie diesen von nun an immer mit ruhigem Wasser, Seerosen, Libellen, Wasserläufern und Wasserschnecken assoziieren.

Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, mit dem Lebendigen – mit Käfern, Schnecken, Kräuter, Bäumen usw. – vertraut zu werden. Kinder lernen anders als Erwachsene.

Wir
Wir
geben
geben
acht!
acht!

Sie müssen zuerst sehen, berühren und erleben, bevor sie Erklärungen aufnehmen können. Zu frühe Erklärungen werden nicht aufgenommen oder stören das Beobachtungserlebnis. Es ist nicht wichtig, viele Baum-, Kräuter-, Pilz- oder Vogelnamen zu nennen. Viel wichtiger ist es, die Kinder zum Beobachten und Fragestellen anzuregen und diese Fragen beantworten zu können. Dieses Bemühen ist eine Investition in eine lebenswerte Zukunft.

Soziales Lernen in der Gruppe

Neben den vielfältigen Erfahrungsmöglichkeiten für Kinder ist uns die Stärkung der Gruppe, wie auch die Entwicklung zur Selbstständigkeit sehr wichtig. Dazu gehört, dass sie Situationen – mit wohl dosierbaren Handlungsspielräumen – gewisse Risiken eingehen können bzw. Schritt für Schritt wagen können, die eigenen Grenzen zu erfahren und zu erweitern. Nur so kann man lernen, Verantwortung für sich, sein Handeln und dessen Folgen zu übernehmen, nur so kann man Sinnes- und Selbstsicherheit gewinnen.

Das soziale Lernen im Waldkindergarten umfasst wie in allen übrigen Kinderbetreuungseinrichtungen:

  • Einander zu helfen
  • Rücksicht zu nehmen und Verständnis zu haben
  • Eigene Interessen zu erkennen und zu vertreten
  • Zu warten, bis man an der Reihe ist
  • Geduld zu entwickeln
  • Anderen zuzuhören

Förderung der Sinne

Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Tasten werden ebenso gefördert wie die Grob- und Feinmotorik und der Gleichgewichtssinn. Die Übergänge sind fließend.

Hin und her, nähen ist nicht schwer!
Hin und her, nähen ist nicht schwer!

Je vielfältiger die sensorischen Funktionen geübt werden, um so sicherer wird das Kind in seinen Bewegungen und um so besser gelingt ihm die Auseinandersetzung mit seiner Umwelt. Körperbewegungen sind für die Entwicklung des Gleichgewichtsinns und der Bewegungsempfindlichkeit unerlässlich. Zudem sind sie unverzichtbare Grundlagen einer ganzheitlichen Entwicklung.

Förderung handwerklicher Interessen

Unser gut ausgestatteter Werkzeugschuppen wird von Kindern beiderlei Geschlechts gerne benutzt. Da wird gesägt und gebohrt, gehämmert und gefeilt was die Baumstämme und Äste hergeben. Material finden wir immer genügend im Wald und die Kinder entwickeln erstaunliche Ideen und Fertigkeiten, das Holz zu bearbeiten.

Gemeinsam bauen wir uns eine Hütte!
Gemeinsam bauen wir uns eine Hütte!

Umweltschutz

Wer Wald und Natur als Kind kennen und respektieren lernt, wird sich auch als Erwachsener um sie sorgen.
In einer Untersuchung der Universität Kiel ging man der Frage nach, wie Umweltbewusstsein, das auch zu umweltbewusstem Handeln führt, bei Schülern entsteht.
Die wesentlichen Ergebnisse sind:

  • Fernsehen, Presse und Rundfunk beeinflussen die Schüler nur kurzfristig.
    Sie vermitteln weder zusammenhängendes Wissen über die Umwelt, noch fördern sie die Bereitschaft zu umweltbewusstem Handel.
  • Ebenso wie die Medien hat die Schule «beim Aufbau ökologischer Gefühle versagt».
  • Deutlicher nachweisbar ist der Einfluss einer umweltbewussten Elternhauses. Kinder  und Jugendliche, denen ökologisches Verhalten vorgelebt wurde, übernehmen dies im eigenen Haushalt, tragen es auch nach außen, z. B. in Form eines aktiven Einsatzes für Umweltschutz.

Aus diesen Untersuchungsergebnissen wird ersichtlich. wie elementar es ist, Kindern und Jugendlichen während der gesamten Kindheit und Schulzeit, neben theoretischen Kenntnissen, intensives Naturerleben zu ermöglichen.
Dreißig Jahre Umwelterziehung an den Schulen konnten bisher nicht verhinderen, dass Schulhöfe, Spiel- und Grillplätze, Trimm-dich-Pfade usw. mehr denn je von Kindern und Jugendlichen verdreckt oder gar verwüstet werden. Unser Treffpunkt bildet hier keine Ausnahme, und die Kinder sind immer wieder empört über den Müll, der überall herumgeworfen wird.

Waldkindergarten, ein extremes Kinderbetreuungsmodell?

Der Aufbau unseres Waldkindergartens als der Erste seiner Art in Baden-Württemberg war ein Gang von Pontius zu Pilatus, seine Durchsetzung in einer kleinen Gemeinde wie Berglen schon in gewisser Weise revolutionär.

Nimmt man jedoch Berichte über die zunehmende Aggressivität, Übergewichtigkeit, Haltungsschwächen und -schäden, Konzentrationsstörungen, Schwächen in der kindlichen Grob- und Feinmotorik usw. ernst, so wird die Dringlichkeit eines ganzheitlichen naturverbundenen Kindergartenkonzepts deutlich. Spätestens, als unsere ersten Waldkindergarten-Kinder in die Schule kamen und dort zeigen konnten, dass sie weder Halbwilde waren, noch pausenlos durchs Klassenzimmer rennen mussten, sondern vielmehr manchen Klassenkameraden z.B. an Konzentrationsfähigkeit und Disziplin weit voraus waren, fand unser Kindergartenkonzept eine zunehmend breite Akzeptanz.